| |
|
Links oder rechts
lateralisiert?
Die Hand ist nicht entscheidend für die
»Lateralität« (Seitigkeit). Wenn man so genannte Linkshänder auf die
Seitigkeit ihrer Ohren, Augen, Hände und Füße bei verschiedenen
Tätigkeiten untersucht - was zum zentralen Hörverarbeitungstest in einem
Tomatis Institut gehört - so findet man, dass die große Mehrzahl von
ihnen viel richtiger als »dyslateralisiert« - also unentschlossen in
ihrer Seitigkeit - bezeichnet werden müsste. Reine »Linksseiter« bilden
die Ausnahme. Tomatis ist aus guten Gründen der Auffassung, dass selbst
diese nicht »Linksseiter« sind, sondern nur eine Gewohnheit angenommen
haben.
»Rechtsohrig« zu sein heißt für die Kommunikation den neurologisch
kürzeren Weg benutzen. Dies trifft für alle Menschen zu, da die
Asymmetrie des Nervensystems - der Asymmetrie der inneren Organe
entsprechend - bei allen gleich ist. Wenn man links hört, dauert der Weg
bis zur bewussten Wahrnehmung so lange, als wäre man von der
Schallquelle bis zu 120 Meter weiter entfernt. Die hohen Frequenzen
werden dabei abgeschwächt: daher die undifferenzierte Klangempfindung,
aber auch eine weniger wirksame Stimulierung der Hirnrinde. Wenn man
links spricht, benutzt man ebenfalls einen längeren Regelkreis. Der
Kehlkopf wird nämlich motorisch von zwei Ästen des Nervus vagus
innerviert, den Rekurrensnerven, von denen der linke, der sich bis unter
die Aorta erstreckt, länger ist als der rechte, dessen Weg direkt unter
der Arterie des Schlüsselbeins durchführt. Die Verzögerung ist ungefähr
von der Dauer einer Silbe, je nachdem, welche Seite »führt«, passt sich
zeitmäßig der längere Weg dem kürzeren an oder umgekehrt.
Jedermann nach rechts lateralisieren zu wollen, heißt nicht etwa, die
Rechte zu bejahen und die Linke zu verneinen, sondern beide Seiten
optimal zu nutzen. Indem der neurologisch kürzere Weg, der rechte,
eindeutig die Führung übernimmt, zieht er den linken, längeren, bis zur
Anpassung mit. Man könnte anstelle des Wortes »Lateralisieren« das Wort
»Organisieren« benutzen, das den Sachverhalt besser beschreibt und nicht
die Bevorzugung einer Seite suggeriert. Rechts und links sind eine
Dualität wie Energie - Masse und Dynamik - die überall, bis in jede
Zelle unseres Körpers hinein, zu finden ist.
Die Lateralisierung findet in den ersten Lebensjahren statt. Die »Wahl«
des kürzeren oder des längeren Weges kann mehr oder weniger zufällig
geschehen oder auch tiefe psychologische Gründe haben: Manchmal kann es
wünschenswert erscheinen, in eine nicht zu direkte Kommunikation mit der
Umwelt zu treten, sich etwas vor ihr zu »schützen«. Ein Nachteil ist,
dass der Dyslateralisierte, wie der »Linksseiter«, in allem sehr oft
langsam ist, auf alle Fälle weniger rasch, als er sein könnte. |
|
|